Aschaffenburg (POW) „Ich habe jetzt erlebt, dass das Teilen von Gedanken auf jeden Fall bedeutungsvoller ist, als die nächste Sondersendung über Corona zu sehen.“ Das sagte ein Teilnehmer am Ende eines besonderen Bibelabends. 28 Menschen hatten sich am Donnerstag, 26. März, um 20 Uhr zur „Auszeit: Bibel teilen online“ getroffen, aber nicht im Gruppenraum einer Pfarrgemeinde, sondern vor dem Computer. Auch die Gruppe der Teilnehmer war bunt gemischt. Sie reichte von Menschen aus Karlstein bis Heigenbrücken und sogar Kist bei Würzburg. Die wenigsten kannten sich vorher, trotzdem zeigte sich schnell, dass genug Vertrautheit da war, um miteinander über Lebens- und Glaubensfragen zu sprechen.
Die Initiative für dieses digitale Treffen ging von Pastoralreferent Walter Lang, Beauftragter für Internetseelsorge des Bistums Würzburg, und dem Team der Erwachsenenbildung des Aschaffenburger Martinusforums aus. Die Idee der Aktion war, die neue Technik dazu zu verwenden, nicht nur passiv einen im Fernsehen oder Internet ausgestrahlten Gottesdienst zu verfolgen, sondern selbst miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Veranstalter nutzten für die Einladung vor allem den Mailverteiler des von Ehrenamtlichen gestalteten ökumenischen Gottesdienstes „Time Out“, der seit mehr als 20 Jahren Menschen aus der ganzen Region zusammenbringt und in dieser Woche zum ersten Mal in seiner Geschichte ausfallen musste. Die Angeschriebenen konnten sich bis zum vergangenen Mittwoch für das „Bibel teilen“ anmelden. Als technische Voraussetzung mussten sie lediglich einen mit Webcam und Mikrofon ausgestatteten PC, Laptop, Tablet oder ein Smartphone einbringen. Die Teilnehmer wurden im Vorfeld nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt und bekamen einen Link zugeschickt, über den sie sich zum vereinbarten Termin einwählten.
Die Gruppen wurden von Dr. Ursula Silber, Rektorin des Martinushauses, und Lang moderiert. Zunächst luden sie ihre Gruppenteilnehmer zu einer kurzen Vorstellungsrunde ein. Nach einem Gebet wurde die Bibelstelle vorgestellt und mit dem sogenannten Echolesen, bei dem die Teilnehmer Worte oder Sätze aus dem Text wiederholen, vertieft. Für das Treffen hatte das Vorbereitungsteam die Stelle vom Seesturm ausgesucht (Mk 4,35-41), bei dem die Jünger bei einer Seeüberfahrt in einen Sturm geraten, sich ängstigen und Jesus schließlich diesem Sturm Einhalt gebietet. Nach einer kurzen Stille konnten dann alle ihre Gedanken zum Text äußern.
Beim „Bibel teilen“ geht es nicht um eine wissenschaftliche Diskussion, sondern um eine Sammlung der Eindrücke, die bei den Teilnehmern entstehen, und um die Frage: Was sagt mir das Bibelwort für mein augenblickliches Leben? Man merkte an diesem Abend, wie die Gedanken rund um die aktuelle Situation im Land kreisen. „Mir tun Menschen gut, die diese Ruhe ausstrahlen, die Jesus hier zeigt“, sagte zum Beispiel eine Teilnehmerin. „Die Überfahrt zum anderen Ufer lässt mich daran denken, dass sich vieles ändern wird“, äußerte ein anderer Teilnehmer. Auch die Frage „Darf jemand, der glaubt, nicht auch Angst haben?“ kam auf. An das gemeinsam gebetete Vaterunser schloss sich die Frage an: „Was nehme ich aus diesem Gespräch mit in die kommenden Tage?“ Darauf sagte eine Teilnehmerin: „Die Runde hat mir geholfen, über meinen Tellerrand hinauszuschauen“, und eine andere fügte an, sie werde mit mehr Gelassenheit und Gottvertrauen in den nächsten Tag starten.
So gut alles grundsätzlich funktionierte, an dem Abend wurden auch die Grenzen eines solchen über das Internet organisierten Treffens deutlich. In der einen Gruppe funktionierte die Kamera einer Teilnehmerin nicht, in der anderen war es ein Mikrofon. Das gemeinsam gesprochene Gebet war schwierig, da die einzelnen Tonsignale zeitverzögert übertragen wurden. Und so manchem fehlte die unmittelbare Begegnung. „Ich hätte gerne mit euch im Kreis um eine Kerze gesessen“, sagte ein Teilnehmer. Trotzdem sagten die meisten, dass ihnen dieses Treffen gutgetan habe. Das Team hat deshalb beschlossen, für die nächsten drei Wochen weiter zum „Internet – Bibel teilen“ einzuladen. Internetseelsorger Lang hat zwar grundsätzlich viel mit den neuen Medien zu tun, aber auch für ihn war diese Form eines spirituellen Treffens Neuland. Er brachte seinen Eindruck nach diesem Abend so auf den Punkt: „Ich empfand den Austausch als sehr intensiv und habe durchaus auch Gemeinschaft erlebt, mit der Runde vor dem Bildschirm und mit Gott.“
Das Angebot „Auszeit: Bibel teilen online“ wird fortgesetzt. Die Treffen finden jeweils mittwochs um 20 Uhr am 1. April, 8. April und 15. April statt. Wer bei einem oder allen Treffen dabei sein will, kann sich bis jeweils Dienstag, 17 Uhr, per E-Mail unter burkard.vogt@t-online.de anmelden. Die Teilnehmer erhalten bis Mittwoch, 14 Uhr, einen Link, unter dem sie sich abends einloggen können.