Würzburg/Aschaffenburg (POW) Seit 25 Jahren gibt es die Internetseelsorge in der katholischen Kirche in Deutschland. Ihre Anfänge wurzeln in der Diözese Würzburg. 1998 entwickelte Diakon Uwe Hohlschuh gemeinsam mit Walter Sauter, dem damaligen Leiter der Internetredaktion des Bistums, ein erstes digitales Seelsorgeangebot. Inzwischen hat sich Würzburg mit dem Erzbistum Freiburg und den Bistümern Aachen, Mainz, Speyer und Osnabrück zusammengeschlossen, um gemeinsam ein Seelsorgeangebot im deutschsprachigen Raum auf internetseelsorge.de zu platzieren. Das diesjährige Jubiläum feierte dieser Zusammenschluss Mitte Oktober nicht mit einem Festakt, sondern mit einer Konferenz unter der Überschrift „Zeichen lesen – Zukunft gestalten“.
Passend für die Form der Seelsorge fand die Konferenz zum Großteil im Internet statt. Sechs Teilnehmer hatten sich im Aschaffenburger Martinushaus eingefunden, der Rest wurde digital dazugeschaltet. Durch die Veranstaltung führten Björn Siller, Referent für Pastoral im Internet des Erzbistums Freiburg, und Walter Lang, Internetseelsorger im Bistum Würzburg. Sie hatten sich eine Reihe von Referenten eingeladen, die über aktuelle Entwicklungen im weltweiten Netz berichteten. So referierte der Soziologie-Professor Dr. Stefan Selke über Tendenzen, Künstliche Intelligenz wie eine Religion zu betrachten, die dem Menschen Trost spendet und Heil verspricht. Susanne Schmalwieser und Stefan Kühne stellten mit „open2chat“ ein Konzept vor, das jungen Menschen die Möglichkeit bieten will, mit geschulten Gleichaltrigen über ihre Sorgen und Fragen ins Chat-Gespräch zu kommen.
Aus den USA zugeschaltet war Philippe Haase, die sich mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas „Geistlicher Missbrauch“ beschäftigt. Journalist und Autor Stefan Mey stellte sein aktuelles Buch „Der Kampf ums Internet“ vor, mit dem er vor allem auf Initiativen aufmerksam machen will, die sich gegen die immer stärkere Kommerzialisierung des World Wide Web stemmen. Dr. Christina Dinar und Dr. Fabian Wiedel gaben eine Einführung in Digitales Streetworking, bei dem es um eine aufsuchende Medienpädagogik beispielsweise bei exzessiver Internetnutzung geht. Über digitale Kommunikationsstrukturen am Beispiel der Plattform 4chan.org referierte Dr. Christina Laut-Berger. Dr. Andreas Gold stellte vor, wie das Lesen an digitalen Endgeräten die Lesegewohnheiten der Menschen verändert.
Die Vielfalt der angerissenen Themen zeigt, wie breit das Gebiet der Internetseelsorge aufgestellt ist. Siller ist es wichtig, dass sich die kirchliche Pastoral dieser Tatsache noch stärker bewusst wird. „Wir müssen lernen, dass Internet nicht etwas ist, was irgendwo herumschwirrt, oder etwas, was so nebenher läuft, sondern dass es einer der vielen Begegnungsräume ist, in dem Mensch und Menschsein sich ausdrückt und zeigt“, sagte der Theologe. Deswegen sollte Kirche diesen Bereich im Leben der Menschen nicht als etwas Abstraktes und Fremdes wahrnehmen, sondern als etwas, was ganz normal im seelsorglichen Bereich dazugehört, als einen weiteren Ort, an dem sich Menschen begegnen und an dem Kirche ihre Botschaft leben soll.
Ganz konkret arbeiten heute im Bistum Würzburg 14 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter auf der Plattform internetseelsorge.de mit. Von dort aus kann man sich beispielsweise an eine Chatberatung wenden oder geistliche Begleitung anfragen. Viele schätzen bei diesen Angeboten die Anonymität sehr. „Da muss ich ja letztlich meinen Namen nicht preisgeben und manchmal geht es da auch um Themen, die eher Tabuthemen sind und die sich leichter auf diese Art und Weise kommunizieren lassen“, erklärte Lang. Er sehe einen weiteren Vorteil für den Ratsuchenden auch darin, dass er praktisch keine Hürde zu nehmen habe, sondern sich letztlich nur im Internet einwählen müsse.
Auch Lang ist es wichtig, dass sich die Seelsorge in diesem Bereich weiterentwickelt. „Es muss möglich sein, per Mail, per Chat oder per Video mit jemanden von der Kirche in Kontakt zu kommen“, sagte er. Auch pastorale Angebote wie Impulse, geistliche Exerzitien oder die Möglichkeit, einen Gottesdienst per Messenger zu feiern, seien für die Zukunft notwendig. Vieles gibt es bereits, so arbeitet Lang bei der Netzgemeinde „da_zwischen“ mit, die wöchentliche Impulse verschickt und sonntags zu einem Messenger-Gottesdienst einlädt. Er empfinde das Angebot aber durchaus als noch ausbaufähig. „Für mich wäre es der größte Wunsch, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, dass alle Diözesen im Netz ein Angebot haben, das von dafür ausgebildeten Seelsorgerinnen und Seelsorgern begleitet oder angeboten wird, und das die Menschen, die im Netz unterwegs sind, als attraktiv empfinden.“
bv (POW)