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Andrea Lorey hilft den Beamten, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten

Ein Bankraub, ein schwerer Unfall mit Verletzten oder Toten, eine Schießerei – Polizisten gehören meist zu den ersten am Ort des Geschehens, und ihnen bietet sich oft ein Bild des Grauens. Erlebnisse, die jeden Beamten belasten und mit denen jeder anders umgeht. Nicht selten kommen sie zu Andrea Lorey ins Würzburger Polizeipräsidium. Die 50-Jährige ist Pastoralreferentin, seit zehn Jahren arbeitet sie als Polizeiseelsorgerin.

Loreys Büro ist klein, mehr als zwei Leute finden kaum Platz. Doch in der Luft schwirren Unmengen an Geschichten und Schicksalen, erzählt von Beamten, die mit ihrer Belastung nicht allein gelassen werden wollten. Wer auf die Fensterbank schaut, sieht Dankbarkeit. Kleine graue Kieselsteine liegen dort, Briefe, Postkarten, auf denen ein Sonnenuntergang zu sehen ist und ein Segenswunsch steht, ein Schlüsselanhänger mit dem orangefarbenen Maskottchen der „Sendung mit der Maus“. Zeichen des Dankes – überreicht von Polizisten, denen Lorey einmal geholfen hat.

Die Polizeiseelsorge in Würzburg ist ökumenisch organisiert. Lorey teilt sich die Arbeit mit einem Kollegen der evangelischen Kirche, wobei sich die Arbeit der beiden nicht unterscheidet. „Ich frage nicht, ob jemand katholisch oder evangelisch ist, schließlich geht es um den Menschen“, sagt Lorey. Ihn sieht sie wie einen Topf: Oben fließt alles rein, aber irgendwann läuft der Topf über. „Polizeiseelsorge ist Präventionsarbeit, damit dieser Topf nicht überläuft“, sagt Lorey. Diese Vorsorge brauche fast jeder, egal ob junger oder erfahrender Polizist.

Zuhören, immer wieder zuhören, das ist das Wichtigste in Loreys Beruf als Polizeiseelsorgerin. „Betroffene sind in einer Art Spirale des Schreckens und sehen keine Lösung, um Abstand zum Erlebten zu bekommen“, erzählt Lorey. Da helfe es manchmal schon, dem Polizisten nach dem Gespräch zu sagen, er solle sich etwas Gutes gönnen. Bei dem einen ist das ein Tag mit der Familie, bei jemand anderem Sport oder ein schönes Buch.

An einem hellen Holzschrank in Loreys Büro hängt eine cremefarbene Albe, die sie in der Liturgie trägt. Regelmäßig organisiert sie zusammen mit ihrem protestantischen Kollegen einen ökumenischen Wortgottesdienst. Besonders freut sie sich, wenn Polizisten zu ihr kommen und beim Mitgestalten der Gottesdienste helfen möchten, zum Beispiel durch das Lesen der Fürbitten oder durch Musizieren.

Als Lorey vor zehn Jahren zur Polizei kam, hatte sie keine großen Erwartungen. „Ich wollte mal was anderes machen und habe den Sprung ins kalte Wasser gewagt“, sagt sie. Neben ihrer Arbeit als Seelsorgerin unterrichtet sie inzwischen an der Polizeischule das Fach Berufsethik. „In welcher Rolle sehen Sie sich als Polizist, und wie möchten Sie gesehen werden?“, fragt Lorey im Unterricht. Als Antwort der Polizeischüler komme der perfekte Polizeibeamte heraus, dem Respekt entgegengebracht wird und der gleichzeitig immer die Lage unter Kontrolle hat und helfen kann. „Das ist kaum erfüllbar“, sagt Lorey. Wichtig sei, den jungen Leuten von Beginn an den Druck vor zu hohen eigenen Erwartungen zu nehmen. Das helfe, schlimme Erlebnisse später besser zu verarbeiten. Zu solchen schlimmen Erlebnissen gehört auch das Überbringen einer Todesnachricht. Zu diesen Aufgaben gehen Beamte vorsorglich immer zu zweit.

Vielleicht ist es Zufall: Loreys beste Freundin ist Psychologin. „Manche Fälle nehmen auch mich mit, dann tut es gut, selbst mit einem Fachmann zu sprechen und nicht die eigene Familie zu belasten.“ Besonders setzen Lorey Gespräche über Sittlichkeitsverbrechen zu. „Da braucht es schon mal eineinhalb Tage, bis ich mich wieder auf etwas anderes konzentrieren kann“, sagt sie. Beten, sprechen, spazieren gehen, das sind Loreys persönliche Wege, um in solchen Fällen Abstand zu gewinnen. Ouelle: Sebastian Auer POW